Neuruppin. Im ehemaligen Gebäude der Schönbecksche Brauerei, in der Wittstocker Allee, werden in einem provisorischen Gefängnis zahlreiche führende Mitglieder der SPD und KPD inhaftiert und gefoltert.
In der Nacht auf den 22. Juni 1933 kommt es zu einer Verhaftungswelle von leitenden Mitgliedern der KPD und SPD im gesamten Kreis Ruppin. Die SA und die Ortspolizeibehörde verhaften 21 Neuruppiner*innen, darunter die Kommunist*innen Anna Hausen und Franz Maecker. In Schönbecks Brauerei in der damaligen Alt Ruppiner Allee wird aus diesem Anlass ein Lager eingerichtet. Dort verhört die SA die Verhafteten und foltert sie.
Die Märkische Zeitung vermeldet am 22. Juni 1933 in der Beilage für Neuruppin: „In Schutzhaft genommen wurden in der vergangenen Nacht etwa 45 Personen, die früher führende Stellungen in der SPD und KPD innehatten und sich als besonders große Hetzer hervorgetan haben. Die Verhafteten sind vorläufig in einem geschlossenen Lager untergebracht worden. Haussuchungen und Vernehmungen zeitigten weitere Belastungstatsachen.“
Quelle: Märkische Zeitung und Anzeiger für Stadt und Kreis Ruppin vom 22. Juni 1933.
Anmerkung: Diese Verhaftungen sind kein Einzelfall, schon im März werden in Neuruppin Regimegegner*innen während einer Flugblattaktion in Haft genommen. Erich Schulz, ein führendes Mitglied der KPD-Ortsgruppe, wird im September 1933 verhaftet. Ein bekanntes zeitgenössisches Bild zeigt, wie Schulz gefesselt durch die Straßen Neuruppins geführt wird. Der demokratisch gewählte Lindower Stadtverordnete August Fischer, Vertreter der KPD, wird ebenso in Neuruppin eingekerkert. Er stirbt am 29. November 1933 an den Folgen der Haft.
Die sogenannte „Schutzhaft“ war ein wirkungsvolles Instrument der Nazis zur Ausschaltung politischer Gegner*innen. Schutzhaft bedeutete die willkürliche Inhaftierung allein in Folge polizeilicher Abordnung, ohne dass diese einer richterlichen Kontrolle unterlag. Die in Schutzhaft genommenen Insass*innen von Konzentrationslagern waren vollkommen rechtlos gestellt. Auch gegen die Misshandlungen bestand kein Rechtsschutz. Die juristische Grundlage dafür wurde mit der „Reichstagsbrandverordnung“ vom 28. Februar 1933 geschaffen.
Anfang 1933 waren vor allem die in der Arbeiter*innenbewegung Aktiven sowie Jüdinnen und Juden betroffen. Später wurde dieses Instrument auf weitere unerwünschte Personengruppen wie etwa die sogenannten Asozialen, die Zeugen Jehovas oder auf Angehörige der Sint*izze und Rom*nja angewendet.
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