Belzig. In der jüdischen Hachschara-Einrichtung im Werner-Kaufmann-Erholungsheim bereiten sich 15 männliche und 6 weibliche Bewohner*innen auf ihre Auswanderung nach Palästina vor.
Die Jüdische Rundschau schreibt am 19. Juli 1933: „Die Kellerräume einer Jugendherberge haben sich die Jugendlichen selbst in Stand gesetzt und wohnlich gestaltet.“ Zusätzlich „besitzt die Gruppe auch noch 4 bis 5 Morgen Land […] Auf ihre Viehwirtschaft ist die Belziger Gruppe besonders stolz […] Der Abend dient dem Erlernen der hebräischen Sprache, der Beschäftigung mit der jüdischen Geschichte und der Lage in Palästina.“
Quelle: Jüdische Rundschau, Nr. 57 vom 19. Juli 1933 (38. Jahrgang).
Anmerkung: Hachschara bedeutet auf Hebräisch „Vorbereitung“. In diesen Stätten werden junge Menschen auf ihre Auswanderung nach Palästina vorbereitet und erlernen selbstorganisiert einen handwerklichen Beruf. Die Einrichtung in Belzig wird von der jüdischen Vereinigung Hechaluz betrieben, hebräisch für „der Pionier“. Die jungen Männer arbeiten entweder bei Bauern oder sie versorgen die eigene Gärtnerei. Die jungen Frauen besorgen die Hausarbeit. Trotz Verunglimpfungen bleibt die Hachschara-Stätte in Belzig bis 1934 geöffnet, da eine baldige Auswanderung von Jüdinnen und Juden nach Palästina zu diesem Zeitpunkt noch im Interesse des nationalsozialistischen Staates liegt.
Hechaluz war eine zionistische Jugendorganisation, die sich zum Ziel gesetzt hatte, junge Menschen durch das Erlernen von handwerklichen und landwirtschaftlichen Berufen auf die Auswanderung nach Palästina vorzubereiten. Seit 1922 existierte ein deutscher Landesverband. Mit der zunehmenden Entrechtung jüdischer Menschen ab 1933 stieg die Mitgliedschaft auf über 13.000 an. In den Hachschara-Stätten sollten kollektive Formen des Arbeitens, Lernens und Lebens, wie sie für den Kibbuz notwendig waren, eingeübt werden.
Die veränderte Ausrichtung der nationalsozialistischen Politik – weg von einem Drängen auf Auswanderung und hin zu deren Verbot – führte dazu, dass die Hachschara-Stätten und ihre Bewohner*innen immer massiver angegriffen wurden. Nach dem Ausreiseverbot für jüdische Menschen im Jahr 1941 wurden die Hachschara-Orte schrittweise in Zwangsarbeitslager umgewandelt. 1943 wurden dann die letzten Stätten aufgelöst und die dort Lebenden in Vernichtungslager deportiert.
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