Zum Inhalt springen

Boykott jüdischer Geschäfte in Fehrbellin

Fehrbellin. Auf der Titelseite der Fehrbelliner Zeitung ist die Schlagzeile „Deutsche kauft nur deutsche Waren! Deutsche kauft nur bei Deutschen!“ zu lesen. Darunter steht der Aufruf der NSDAP-Führung zum Boykott jüdischer Geschäfte ab 10 Uhr vormittags desselben Tages.

Ab diesem Zeitpunkt, so erfährt man weiter, sollen Wachen der SA und der SS vor den entsprechenden Geschäften das Publikum darüber informieren, dass die von ihnen bewachten Geschäft „jüdisch“ sind. Außerdem werden Plakaten an den Eingangstüren der Geschäfte angebracht.

In derselben Ausgabe der Fehrbelliner Zeitung findet sich auch eine Annonce mit dem Text „Firma Thams & Garfs ist kein jüdisches Unternehmen“.

Quelle: Fehrbelliner Zeitung, Anzeiger für das Ländchen Bellin und Umgebung, Nr. 39 vom 1. April 1933 (44. Jahrgang).

Anmerkung: Für den 1. April 1933 rief die NS-Führung unter dem Motto „Deutsche wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“ reichsweit zum Boykott jüdischer Geschäfte, Banken, Ärzt*innenpraxen etc. auf. Sie leitete damit die Umsetzung einer Forderung aus dem NSDAP-Parteiprogramm von 1920 ein: die Verdrängung der deutschen Juden*Jüdinnen aus dem Wirtschaftsleben. Offiziell begründeten die Nazis die Aktion mit Protesten jüdischer Organisationen vor allem in Großbritannien und den USA, die die zunehmenden antijüdischen Gewalttaten in Deutschland kritisierten und über einen Boykott deutscher Waren nachdachten. Diese „jüdische Greuel- und Boykotthetze“ schlachtete die deutsche Presse auf Anweisung von Propagandaminister Goebbels ab Ende März aus. Viele Firmen – wie das Kaffeeunternehmen Thams & Garfs – bekannten sich zum NS-Regime oder versuchten, Boykottmaßnahmen zu entgehen, indem sie öffentlich betonten, kein „jüdisches Unternehmen“ zu sein.

Den Boykott selbst bereiteten sogenannte „Aktionskomitees“ der NSDAP flächendeckend vor. Auch wenn die offizielle Anweisung lautete, dass die bewachten Geschäfte nicht geschlossen und nicht tätlich gegen sie vorgegangen werden sollte, kam es an vielen Orten zu Plünderungen und Angriffen auf Besitzer*innen, Angestellte und Kund*innen. Die Wachen von SA und SS duldeten oder förderten diese Ausschreitungen in der Regel und hinderten Kund*innen unter Androhung von Gewalt am Betreten der Geschäfte. Allerdings fand der Boykott nicht überall denselben Anklang, vor allem in katholisch geprägten Gegenden fiel die Beteiligung am Boykott schwächer aus. Am Abend des 1. April setzten die Nazis den Boykott aus, drei Tage später erklärten sie ihn für beendet.

Weiterführende Links:

Geschäftsboykott am 1. April 1933