Teupitz. Der Stadtarzt Dr. Kurt Sachse hält im Teupitzer Schloss einen Vortrag über die „Rassen- und Erbkunde“.
Am 13. Januar 1934 berichtet die Königs Wusterhausener Zeitung: „In dem etwa 45 Minuten dauernden Vortrag gab Parteigenosse Dr. Sachse zunächst einen Überblick über die sechs verschiedenen Rassen, die in Deutschland vertreten sind, mit ihren seelischen und körperlichen Merkmalen. Die nordische Rasse, die mit 55 bis 60 Prozent im deutschen Volke vertreten sei, müsse als die Grundrasse des Deutschen angesehen werden und es müsse nach und nach einer sogenannten Aufnormung des deutschen Volkes zugestrebt werden.“
Dr. Kurt Sachse ist Stadtarzt und zugleich Kulturwart der NSDAP für den Ort Teupitz. Seinen „rassenkundlichen“ Vortrag hält er kraft seiner medizinischen Qualifikation als Arzt. Dazu lädt die Teupitzer Ortsgruppe alle hiesigen Parteigenoss*innen sowie die Mitglieder der Nebenorganisationen, wie etwa der NS-Lehrerschaft oder der Hitlerjugend, ein. Die Zeitung vermeldet, dass diese Versammlung sehr gut besucht war. In seinen Ausführungen bleibt Kurt Sachse nicht dabei stehen, die angebliche „rassische Zusammensetzung“ der Deutschen zu beschreiben und dabei der sogenannten „nordischen bzw. arischen Rasse“ den höchsten Wert beizumessen. Er prangert außerdem die bisherige Politik der Weimarer Republik an, die zu einem statistisch nachgewiesenen Geburtenrückgang geführt habe. Von da aus gelangt er zu der Behauptung, dass im Vergleich zu aus seiner Sicht „erbgesunden“ neugeborenen Kindern zu viele sogenannte „erbkranke“ Kinder geboren würden.
Quelle: Königs Wusterhausener Zeitung vom 13. Januar 1934.
Anmerkungen: Die Auffassung, dass Menschen ungleich seien, unterschiedlichen Rassen angehören und diese höher- oder minderwertig seien, existierte schon Ende des 19. Jahrhunderts in Gestalt der sogenannten Rassenkunde. Teil dessen war die antisemitische Klassifizierung von Menschen jüdischer Religion als Angehörige einer minderwertigen Rasse, die aber zugleich die Weltherrschaft anstrebe. Die in Verbindung damit stehende sogenannte Rassenhygiene, die „Eugenik“, zielte darauf ab, die Geburtenrate bei sogenannten „Erbkranken“ zu senken und ihren Anteil an der Bevölkerung zu verringern. Schon in der Weimarer Republik, also noch vor 1933, gab es Lehrstühle für „Rassenlehre“, rassenhygienische Forschungen waren in der Wissenschaft akzeptiert.
Die rassistische Weltanschauung war ein zentraler Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie. Bereits im Juli 1933 erließ die Regierung um Hitler das sogenannte „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Es trat am 1. Januar 1934 in Kraft und erlaubte erstmals in Deutschland die Zwangssterilisation. Mit den Nürnberger Gesetzen von 1935 wurden alle jüdischen Bürger*innen und sogenannte Mischlinge zu minderwertigen Staatsangehörigen ohne politische Rechte erklärt. Eheschließungen zwischen Juden bzw. Jüdinnen und nichtjüdischen Bürger*innen galten demnach als sogenannte Rassenschande und wurden unter Strafe gestellt.
In der damaligen sogenannten Landesirrenanstalt Teupitz begann man schon in der Anfangszeit der NS-Herrschaft mit der Zwangssterilisation von Patient*innen, die als „nicht erbgesund“ eingestuft wurden. Mindestens 1.439 Menschen wurden in der Landesanstalt zwangssterilisiert. Innerhalb der 1940 anlaufenden Aktion T4 fungierte die Landesanstalt Teupitz als Zwischenstation. Es wurde die systematische Ermordung von körperlich und geistig behinderten und kranken Menschen vorbereitet. Hierher brachte man die für die Ermordung vorgesehenen Menschen, bevor sie in die Tötungsanstalten weitertransportiert wurden. Von Januar bis August 1941 etwa wurden mehr als 1.500 Menschen von Teupitz aus in die Tötungsanstalt Bernburg verbracht und dort vergast.
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