Nauen. Der 37-jährige Anstreicher Karl Thon wird von Angehörigen der SA-Standarte 222 vor seiner Haustür in Nauen in der Berliner Str. 16 bestialisch misshandelt und dann in ein Auto geprügelt. Er wird vermutlich in das „wilde“ Konzentrationslager Börnicke verschleppt und von der SA dort erschlagen.
Bis heute ist jedoch noch nicht völlig klar, ob Thon im KZ ankommt oder bereits auf dem Weg dorthin von den SA-Leuten umgebracht wird. Erst Anfang Juli 1934 findet man seine Leiche in einer Tonröhre unter einem Bahndamm bei Börnicke.
Karl Thon gehört keiner Partei an und widmet sich in seiner Freizeit dem Sport. Er ist Mitglied des Arbeitersportklubs „Hellas“ und tätig als Ringrichter bei Ringerwettkämpfen. Aufgrund seines humanistischen Weltbildes kann er die politischen Entwicklungen seit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 nicht gutheißen und redet offen über seine Haltung.
Die Mutter Karl Thons gibt keine Ruhe, den Tod ihres Sohnes Karl aufzuklären. Doch die neuen Machthaber schlagen die staatlichen Untersuchungen nieder und stellen das Verfahren gegen die mutmaßlichen Täter ein. Auf den Grabstein ihres Sohnes auf dem Nauener Friedhof lässt sie neben den Lebensdaten nur das Wort „Warum?“ eingravieren, da ihr die SA verboten hat, die Todesursache zu benennen.
Quelle: http://www.maz-online.de/Lokales/Havelland/Nauen/Karl-Thons-Foto-soll-wieder-auf-den-Grabstein, abgerufen am 2.8.2013 [nicht mehr verfügbar]
Anmerkungen: Die Wohnung Karl Thons befand sich in dem Haus der heutigen Grundschule am Lindenplatz in Nauen.
Das in der Nähe von Nauen im Havelland gelegene frühe Konzentrationslager Börnicke wurde auf eigene Initiative durch die SA-Standarte 222 in einer stillgelegten Zementfabrik Mitte Mai 1933 errichtet. Am 17. Mai 1933 wurden die ersten Häftlinge eingeliefert. Die 150 bis 500 Häftlinge waren größtenteils Mitglieder der KPD und der SPD aus der unmittelbaren Umgebung. Die Gefangenen wurden im KZ so gequält, dass einige an den Haftfolgen verstarben. Mindestens zehn Häftlinge wurden ermordet. Das Lager wurde durch eine Regierungsverfügung vom Sommer 1933 geschlossen. Die verbliebenen Häftlinge überführte man in das KZ Oranienburg.
In den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten wurden politische Gegner*innen ohne Haftbefehl und ohne gerichtliches Urteil auf unbestimmte Zeit inhaftiert, misshandelt und häufig auch ermordet. Seit 1975 erinnert auf dem Gelände des einstigen Konzentrationslagers ein Gedenkstein an die Opfer. Im KZ Börnicke waren auch etliche andere Nauener Bürger inhaftiert.
Seit 2003 ist Börnicke ein Ortsteil von Nauen.
In Nauen sind seit den 1950er-Jahren ein Platz und eine Straße nach Karl Thon benannt. In den 1990er-Jahren haben Unbekannte das Foto von Karl Thon aus seinem Grabstein auf dem Nauener Friedhof heraus gebrochen.
Mittlerweile wurde auch ein Stolperstein in Gedenken an Karl Thon verlegt.
Weiterführende Links:
Gedenkstunde für die Opfer des einstigen KZ Börnicke
Liste der Stolpersteine in Nauen
Autor*innen: Anke Bienwald und Dr. Volker Mueller (aus Nauen)