Potsdam. In einem Schreiben des nationalsozialistischen Polizeipräsidenten von Potsdam, Graf von Helldorff an „die Ortspolizeibehörden und Abteilungsleiter der Landjägerei“ wird darauf hingewiesen, „dass die Tätigkeit sämtlicher Sekten und Bünde – religiöse und antireligiöse Vereinigungen – fortlaufend sorgfältig beobachtet werden muss“.
Hierbei soll besonders auf ihre Betätigung und Einstellung gegenüber dem Nationalsozialismus geachtet werden. Insbesondere sollen die „Gemeinschaft des göttlichen Sozialismus e. V. (Apostelamt Juda)“, die „Adventisten (Siebenten-Tags-Adventisten)“ und die Sekte „Christliche Wissenschaft“ beobachtet werden.
Der Polizeipräsident äußert außerdem Bedenken darüber, dass es „Anlass zur der Annahme gibt, dass innerhalb von religiösen Gemeinschaften (…) immer noch Ortsgruppen bestehen, in welchen namentlich marxistische Elemente Unterschlupf gefunden haben, um unter religiösem Deckmantel Zellenbildung zu betreiben.“
Des Weiteren soll auch über die bereits verbotene „Internationalen Bibelforschervereinigung“ weiterhin Meldung erstattet und wenn nötig deren Aktivitäten überwacht werden.
Quelle: Archiv der Zeuthener Ortschronisten; Aktennummer: 0.3/II/14
Anmerkung: Die Landjägerei war ein Teil der Ordnungspolizei und zuständig für die ländlichen Gebieten und die Orte mit weniger als 2.000 Einwohner*innen.
Mit der „Internationalen Bibelforschervereinigung“ sind die Zeugen Jehovas gemeint – eine christliche Religionsgemeinschaft. Etwa 8800 von ihnen wurden von den Nationalsozialist*innen inhaftiert. Etwa 2800 kamen in ein KZ. Ihr Häftlingsabzeichen war der lila Winkel. Die Zeugen Jehovas wurden durch die Nationalsozialist*innen wegen ihrer konsequenten Wehrdienstverweigerung und ihrer öffentlichen Missionierung verfolgt.
Die „Gemeinschaft des göttlichen Sozialismus e. V. (Apostelamt Juda)“ ist ebenfalls eine christliche Religionsgemeinschaft. 1936 wurde durch die Nationalsozialist*innen ein Teil der Gemeinschaft verboten. Um weiteren Repressionsmaßnahmen zu entgehen, löste sich die Religionsgemeinschaft formal auf und existierte illegal weiter. Die „Gemeinschaft des göttlichen Sozialismus e. V. (Apostelamt Juda)“ betrachtet alle Menschen als gleich vor Gott und unterschied sich darin von der nationalsozialistischen „Rassenideologie“. Vermutlich führte diese Haltung zur Verfolgung durch die Nationalsozialist*innen.
Auch bei der protestantischen Freikirche der „Adventisten (Siebenten-Tags-Adventisten)“ handelt es sich um eine christliche Religionsgemeinschaft. In der Zeit des Nationalsozialismus blieb die Freikirche der „Adventisten (Siebenten-Tags-Adventisten)“ bestehen. Ein Teil der Adventist*innen war jüdischer Herkunft und wurde durch die Nationalsozialist*innen ermordet. Die Adventist*innen schlossen während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft alle Juden*Jüdinnen oder mit Juden*Jüdinnen verheirateten Mitglieder aus der Gemeinschaft aus.
Die Sekte „Christliche Wissenschaft“ wurde 1941 verboten und ihre Mitglieder wurden verfolgt. Viele von ihnen wurden verhaftet und auch in Konzentrationslager verschleppt.
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Autor: Christopher Lenk