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Der „Tag der erwachenden Nation“ in Lübben

Lübben. Der Lübbener Kreiskalender schreibt in seiner Chronik des Jahres 1933, dass am Vorabend der Reichstagswahl vom 5. März 1933 in Lübben der „Tag der erwachenden Nation“ von der „deutschgesinnten Bevölkerung“ gefeiert wurde. Dazu hatte die NSDAP aufgerufen.

Die Chronik gibt an, dass um 18.30 Uhr ein Fackelzug vom Schützenplatz aus durch die Straßen der Stadt gezogen sei. Dabei marschierten mit: SA und SS, der freiwillige Arbeitsdienst, die politischen Beamt*innen und zivile Parteigenoss*innen der NSDAP, die Hitlerjugend, der Stahlhelm, die Scharnhorstjugend, der Verein ehemaliger Lübbener Jäger, der Verein ehemaliger Kavalleristen, der Militärische Kameradenverein, der Krieger- und Veteranenverein, der Turnverein Einigkeit 1897, der Männerturnverein 1861, die Schützengilde Lübben, die Freiwillige Feuerwehr und eine Abordnung der Paul-Gerhardt-Schule.

Die Chronik weist darauf hin, dass die Straßen der Stadt mit „neuen“ Fahnen, also vermutlich mit Hakenkreuzfahnen, geschmückt waren. Auf dem Marktplatz gegenüber der Kirche fand die Abschlusskundgebung statt. Dabei redeten der Kreisleiter der NSDAP, Johannes Gaedicke, und der Lehrer Daumann, der Vorsitzende des nationalsozialistischen Lehrerbundes Ostmark. Die Redner riefen dazu auf, „den 5. März zu einer Entscheidung zu machen und damit den Grundstein zu einer besseren Zukunft zu legen“. Danach wurde eine Rede Hitlers über einen Großlautsprecher übertragen. Nicht alle anmarschierten Verbände nahmen an der Übertragung teil. Welche Verbände vor der Rede abrückten, wird in der Chronik nicht erwähnt. Es wird nur beschrieben, dass die NSDAP und ihre Untergliederungen als letzte den Marktplatz verließen.

Quelle: R. W. Zimmermann: Die nationale Revolution in Lübben. In: o. V. (Hg.). Lübbener Kreiskalender 1934. S. 33; Bibliothek des Kreisarchivs Landkreis Dahme-Spreewald: JB 1-1934

Anmerkungen: Die Veranstaltung am 4. März 1933 in Lübben war eine Wahlkampfkundgebung der Nationalsozialist*innen. Neben den Nazis, der SA, der SS und der NSDAP nahmen rechtskonservative und völkische Vereine Lübbens teil. Bemerkenswert ist die Teilnahme der Freiwilligen Feuerwehr, von der im Allgemeinen eher eine unpolitische Haltung erwartet wird. Die tatsächliche Teilnehmer*innenzahl ist nicht bekannt. Wir wissen also nicht, wie viele Lübbener*innen sich an dem Fackelzug und der Kundgebung beteiligt haben und wie viele nicht.

Die Reichstagswahl am 5. März 1933 war die letzte Reichstagswahl, an der mehr Parteien als nur die NSDAP teilnahmen. Im Wahlkampf kam es häufig zu Übergriffen von Nationalsozialist*innen auf Kommunist*innen und Sozialdemokrat*innen. Nach dem Reichstagsbrand und der Reichstagsbrandverordnung am 28. Februar 1933 waren die Grundrechte außer Kraft gesetzt, Gegner*innen der Nazis wurden willkürlich verhaftet, gefoltert und mitunter sogar getötet. Regimekritische Zeitungen wurden verboten. Die Strukturen der KPD wurden zerschlagen. Drei Tage nach der Reichstagswahl wurden alle politischen Mandate von Mitgliedern der KPD annulliert.

Bei den Lübbener Jägern handelte es sich um das Brandenburgische Jäger-Bataillon Nr. 3, das von 1827 an in Lübben stationiert war. Durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages wurde das Jägerbataillon aufgelöst.

Die Scharnhorstjugend war die Jugendorganisation des Stahlhelm. Sie wurde später geschlossen in das nationalsozialistische Jungvolk überführt.

Autorin: Ilka Gelhaar-Heider (Lübben)